Perlentaucher Nr. 17

sisterhood

künstler: THE SISTERHOOD
album: Gift


The Sisters Of Mercy, urväter des goth-rocks, einem post-punk subgenre, wurden 1980 in leeds, england von Andrew Eldritch (gesang, programmierung, anfangs auch schlagzeug) sowie dem gitarristen Gary Marx gegründet. sie lernten sich in John Keenan´s F Club, der ende der 70er im dortigen Brannigans stationiert war, kennen. es verband sie ein gemeinsames interesse für The Stooges, Motörhead, Leonard Cohen als auch das flair der spät-60er. in der damals angesagten do-it-yourself-manier wurde ein eigenes label namens Merciful Release gegründet, um kurz darauf die erste 7-inch "damage done" darauf zu veröffentlichen. anfangs als reines studio-projekt geplant, rekrutierten sie fast ein jahr später, um live auftreten zu können, Ben Gunn (gitarre), bassist Craig Adams (der mit seinen baßläufen den klang der frühen Sisters prägte) und als back-up, eine Boss Dr. Rhythm DR-55 drum machine, genannt Doktor Avalanche. sie wurde über die jahre immer wieder durch aktuellere marken ersetzt, heute geht dies über software. ein gemeinsamer ausgangspunkt für die neu aufgesellte truppe war, neben obigen einflüssen, der sound des electro/industrial duos Suicide. in summe fabrizierten sie dramaturgisch angelegten, düsteren, psychedelisch angehauchten rock, im verbund mit monotonem gesang. legendär die in dieser art zurechtgebogenen cover-versionen wie u.a. Rolling Stones´"gimme shelter", Bob Dylan´s "knockin´on heaven´s door", The Velvet Underground´s "sister ray" oder Cohen´s "teachers". all diese ingredienzen führten dazu, daß sie in den ersten jahren oft abwertend als hippies bezeichnet wurden. um dies auszureizen hieß ein konzert-reihe gar "tune in, turn on, burn out".
nun wurden keine auftrittsmöglichkeitn ausgelassen. erster höhepunkt, eine tour mit The Birthday Party plus The Psychedelic Furs. anschließend verließ Gunn, 3 singles & 2 eps später, im streit die band und wurde schlußendlich durch ex- Dead Or Alive gitarrist Wayne Hussey, dessen spiel sich bereichernd auswirkte, ersetzt. das (live-) bühnenbild war bewußt atmosphärisch-düster gehalten. dunkle kleidung, spärliche, kalte beleuchtung, stoisches auftreten, eingehüllt von trockeneisnebel. on stage wirkten die protagonisten wie vorboten der apolalypse. man hatte sich bereits eine beachtliche gefolgschaft erspielt - tendenz steigend. nach einer weiteren, erfolgreichen single bzw. ep ("temple of love") übernahm WEA Records, mitte `84, den vertrieb der Merciful releases. im märz `85 erscheint die debüt-lp "first and last and always", für die dark-wave-gemeinde das ultimative statement dieses acts. alles was danach kam, war zwar erfolgreicher, aber auch kommerzieller.
Eldritch´s nunmehr exzessiver lebensstil schadete seinem gesundheitszustand, entfremdete ihn vom rest der truppe und sorgte für interne spannungen. sein alter kumpel Marx stieg als nächster aus. er fühlte sich auch durch Hussey degradiert. am 18. juni 1985 zelebrierten die verbliebenen den letzten gemeinsamen (aus heutiger sicht) auftritt in der londoner Royal Albert Hall unter dem motto - Altamont: A Festival Of Remembrance. filmisch nüchtern (wenngleich soundmäßig aufgefettet) dokumentiert durch die veröffentlichung "wake". danach ging Andrew nach hamburg. Wayne reiste nach um an neuem material für einen nachfolge-longplayer namens "left on mission and revenge" zu arbeiten, doch die beiden kamen auf keinen grünen zweig. Andrew hatte vor den stil zu ändern, weg vom rock, mehr electro, wogegen Hussey weiterhin die gothic-welle reiten wollte. zurück in england sollten band-intern (Eldritch´s) songideen geprobt werden. es führte zu streitereien, Adams kam damit nicht klar, er schmiß hin und Hussey folgte kurz danach. anschließend beherrschte die auflösung von The Sisters Of Mercy die schlagzeilen der musikpresse.
ende `85 war Andrew in produzenten-funktion mit dem sänger James Ray im studio, als er erfuhr, daß Adams & Hussey (nunmehr gesang) als THE SISTERHOOD (ein fanclub der ex-formation) an einem comeback bastelten. in weiterer folge heuerten sie Simon Hinkler (gitarre) wie Mick Brown (schlagzeug) an. dies nahm fürst Eldritch persönlich, er wollte keinesfalls eine Sisters Of Mercy relation durchgehen lassen. er spannte Ray vor den karren (offiziell durfte er aus rechtlichen gründen nicht selbst singen) und nahm mit ihm, innerhalb von fünf tagen, den titel "giving ground" auf. mittlerweile spielten Hussey & co. ein demoband ein, welches von WEA, an die beide ex-Sisters-parteien gebunden waren, abgelehnt wurde. 25000 gbp hatte die plattenfirma für ein weiteres album in aussicht gestellt, egal von wem.
am tag des ersten THE SISTERHOOD gigs, februar 1986, im londoner Alice In Wonderland, warf Eldritch, der sich nun auch mit der ex- Gun Club bassistin Patricia Morrison verstärkt hatte, seine erstschlag-7-inch, unter identem namen auf den markt. der presse-hype über die rivalität trieb diese veröffentlichung, trotz schlechter kritiken, an die spitze der indie-charts. von rachsucht getrieben arbeitete Andrew fieberhaft an einer langspielplatte. als The Chorus Of Vengeance unterstützten ihn dabei, neben Morrison sowie Ray, auch Lucas Fox plus Alan Vega (Suicide). jedoch kamen von ihnen letztlich nur kleine beiträge, der bulk der arbeit stammte von Eldritch. realisiert in einer art von bunkerhaltung, die einer terrorzelle ähnelte. das material dafür bestand aus Sisters-zeugs für das geplante zweite album, überbleibsel als auch archivierte sound-ideen. der meister war stets spracheninteressiert und brach einst ein deutsch- wie auch französich-literatur-studium ab. somit ist der titel des hier behandelten, im luli `86 erschienenen longplayers, beidsprachig zu verstehen.
er birgt 5 stücke und beginnt unheilschwanger mit "jihad". eine botschaft gestrickt aus martialisch anmutenden beats mit orientalischem einschlag. "2-5-0-0-0" (die WEA summe) sowie der songtitel sind die wortspenden, welche wie maschinenpistolen-salven am ohr vorbeipfeifen. düsternis streckt sich über den zweiten track - "colours". das tempo wird gedrosselt. tribale, monotone rhythmen geben den ton an und die stimmung vor. die a-seite klingt hiermit, unter steigender bedrohung, aus. der gesang (bei "colours") kommt unverkennbar von Eldritch und die nummer tauchte (überarbeitet) auch im september `87 als "this corrosion" c-side wieder auf.
die b-seite wird mit der vorab-single "giving ground" eröffnet. electronic-beats die böses ankündigen. man kontrolliert instinktiv ob die wohnungstüre abgeschlossen ist. falls möglich wird der schlüssel ein weiteres mal gedreht. klingt als hätte Andrew auch hier seine stimmbänder im spiel. es folgt "finland red, egypt white". das tempo wird wieder erhöht, Doktor Avalanche ist in saft. dazu gibt es einen promo-text für das AK-47 gewehr. die komposition klingt nach kaltem krieg, waffengeschäfte in ausrangierten fabrikshallen und vermittelt ein gefühl, als würden ein paar hundert tote mehr oder weniger keine rolle spielen. wer jetzt noch nicht genug hat, dem/r gibt "rain from heaven" den rest. ein bedrohungsszenario wird aufgebaut. die textzeilen werden in form von kriegsberichterstattung dargeboten. der bogen spannt sich furchteinflößend. als der chor einsetzt brechen die dämme. es gibt kein entfliehen mehr, die rechnung wird präsentiert.
unterm strich ein kämpferisches album mit kriegerischen unterton, was auch in der auslaufrille seine fortsetzung findet. so ist auf der vorderseite "verteidigungskrieg" als auch "a gift from the raspberry reich" eingeritzt zu lesen, während die rückseite ein "und jetzt können wir vielleicht schlafen, oder?" ziert. jedoch, treibende, einprägsame hooks mit mitgröhl-refrains, wie sie mitunter auf folgenden The Sisters Of Mercy releases zu finden waren, sucht man hier vergebens. dieses werk vermittelt klaustrophobie, unmut, bitterkeit, feindseligkeit.
etwas mehr als ein jahr später waren Eldritch, Morrison sowie der gute Doktor als The Sisters Of Mercy wieder präsent und mit dem bereits erwähnten "this corrosion" in den charts. die erfolgsstory lief mit den obligaten umbesetzungen weiter. neue höhen wurden erklommen, aber der letzte studio-longplayer erschien bereits ende `90 als "vision thing". seitdem schmeißt sich Andrew mit den jeweiligen mitmusikern und seinen größten erfolgen gelegentlich auf die rampe. Hussey, Adams, Hinkler & Brown, die den wettlauf verloren haben, absolvierten damals eine bereits gebuchte europa-tour im vorprgramm von The Cult als THE SISTERHOOD und änderten anschließend den namen auf The Mission (u.k. - in den staaten). veröffentlichten weiters besagte demos mit achtungserfolg in eigenregie, was ihnen einen vertrag mit Mercury Records einbrachte. schafften es infolge zu einer art U2 für die dark-wave-gemeinde und boten Eldritch plus gefolgschaft die stirn. lösten sich 1996, nachdem die erfolgswelle abgeklungen war, auf, um drei jahre später wieder zurückzukehren. im märz `08 war der spuk abermals vorbei, doch 2010 begannen die feiern zum 25-jährigen jubiläum, die bis heute andauern. all dies mit unterschiedlichen line-ups.
während all der jahre gab es schlechte nachrede, anfeindungen, klagsdrohungen, sticheleien, doch mittlerweile scheint es beiden parteien zu blöd geworden zu sein.

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in jeder hinsicht, denn vinyl kann man theoretisch auch ohne strom- oder batteriebetrieb abspielen. es würde, rein mechanisch, sogar mit dem eigenen fingernagel funktionieren. probiert das mal mit einer cd, dvd oder mp3. oder eines der genannten formate rückwärts abzuspielen und dann auch noch die teuflische botschaft verstehen. viel vergnügen!

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