Wertmissachtung

utopia


also mir persönlich tut es immer weh, wenn ich jemanden sehe, der irgendwie schlampig mit vinyl umgeht. beispielsweise die scheibe salopp aus der inner-sleeve zieht und dies mit allen fünf fingern an der rille. davon muß ich mich für gewöhnlich mit schaudern abwenden. wogegen andere es wiederum lächerlich finden, daß ich meine platten wie rohe eier behandle. ist eben ein unterschied, ob etwas für eine/m ein heiligtum darstellt, oder eben als gebrauchsgegenstand gesehen wird bzw. als werkzeug dient. aber gar kein verständnis kann ich für mutwillige zerstörung aufbringen. schon gar nicht, wenn es sich um kulturgut handelt. jedoch genau hier treten fanatiker, fundamentalisten, verblendete oder schlicht spinner auf den plan. denen ist in ihrer quasi mission nichts mehr wertvoll. daran hat sich nichts geändert und das hat die geschichte bereits häufig bewiesen - auch was die musik und ihre trägermedien betrifft.
so löste John Lennon im u.k., märz `66, mittels seines gewohnt launisch-provokanten statements, The Beatles seien nun "bigger than Jesus", ebendort kaum ärgernis aus, doch als im august die u.s.-tour anstand, wurde im vorfeld von der dortigen journaille die suppe wieder aufgewärmt. dies diente so manchen eiferer als weckruf, erhitzte sich infolge immer mehr und kochte schließlich im ohnehin brodelnden süden der staaten über. hier starteten zwei radio deejays ( Tommy Charles & Doug Layton) die ban the Beatles-kampagne und hatten damit, zumindest was die rundfunkeinsätze betraf, teilweise auch erfolg. weiters wurden ihre tonträger boykottiert, drohungen ausgesprochen, demonstrationen abgehalten und die hetze mündete schlußendlich in hirnlose, öffentliche verbrennungen von schallplatten der pilzköpfe. ein photo davon diente übrigens der progressiven rockband um Todd Rundgren - Utopia - 1982 als cover (in abgewandelter form) für "swing to the right". die damalige haßwelle gegen die liverpooler diente auch dem Ku Klux Klan zur bühne. so mancher mitarbeiter der jeweiligen ortsgruppe tauchte vor konzertlokalitäten auf, um die stimmung anzuheizen und bei manchen vereinsabenden wurden symbolisch The Beatles longplayer ans kreuz genagelt. wenn es ganz heiß her ging, wurde das ganze auch noch angezündet. letztlich schwappte die scheiße auch noch nach mexiko und in andere staaten rüber. Lennon wurde in weiterer folge vom management zu einer richtigstellung überredet, um die wogen zu glätten.
doch es war bei weitem nicht die einzige, mutwillige vernichtung von tonträgern. disco sucks war die idee des frustrierten rock radio djs Steve Dahl, der seine felle davonschwimmen sah, weil die disco-musik damals die große nummer war, die charts als auch clubs und den hörfunk dominierte. aber er war nicht der einzige, dem diese vorherrschaft stank. somit organisierte er für den denkwürdigen 12. juli 1979, als pausenattraktion zum baseballspiel Chicago White Sox vs. Detroit Tygers, ein großes disco-vinyl-vernichten. wer eine platte dieser musikrichtung dabeihatte, kam um 98 cent rein. so kamen zig-tausende scheiben zusammen. diese wurden in einem stahlcontainer gesammelt und anschließend zur explosion gebracht. jener müde spaß machte weltweit schlagzeilen und stärkte die gegner dieser tanzbewegung. bald danach verlor disco (zu großem teil auch selbstverschuldet) den platz an der sonne und wurde wieder mehr in den underground zurückgedrängt, aus dem es gekommen war. Steve Dahl und seine handlanger konnten wieder ruhiger schlafen.
zu beginn der 80er schlug das pendel dann in die andere richtung aus. aufgrund der politischen lage hatten fanatische, christliche gruppierungen in den vereinigten staaten rückenwind und das zu bekämpfende böse sahen sie in der rockmusik wie auch in deren protagonisten. jede/r musiker/in der härteren fraktion war praktisch ein/e satansjünger/in, welche/r die botschaft des teufels ans demütige volk verbreitete. sich selbst sahen die selbsternannten gutmenschen als moral majority und hörten zudem aus jedem stück vinyl verborgene botschaften heraus, plaziert um die jugendlichen in ihren bann zu ziehen als auch in die sünde zu treiben. fundamentalistische radio-moderatoren hetzten, nahe medien schürten, unterwanderte elternvereine tobten, kirchenführer verteufelten, labile politiker popularisierten und sogar das FBI sah sich zur einmischung gezwungen. beliebte feindbilder waren unter anderen Led Zeppelin, Judas Priest, Slayer oder Iron Maiden. es kam zu plattenverbrennungen, öffentlichen zerstörungen und sogar bei gottesdiensten wurde sinnbildlich vinyl gebrochen. das aufkommen der cd kühlte die aufgereizte stimmung wieder ab - vorerst.
denn als Yusuf Islam im februar 1989 das von Ayatollah Khomeini über Salman Rushdie, in bezug auf dessen buch "the satanic verses", ausgesprochene todesurteil mehr oder weniger goutierte, brach in verschiedenen ländern ein sturm der entrüstung gegen den einst als Cat Stevens bekannten singer/songwriter aus. Tom Leykis, der in los angeles eine rundfunk-sendung hatte, rief zum boykott des sängers auf und organisierte eine großangelegte verbrennung seiner werke, die jedoch von der feuerwehr im vorfeld untersagt wurde. so fuhr man als gegenstück eben mit dem bulldozer über die tonträger. davon inspiriert fanden auch in anderen ländern solch zweifelhafte happenings statt.
den haß der amerikanischen öffentlichkeit bekam 2003 in ähnlicher weise das weibliche alternative country trio Dixie Chicks zu spüren. während eines konzerts im londoner Shepard´s Bush Empire, märz `03, kritisierte lead-sängerin Natalie Maines den u.s. präsidenten George W. Bush jun. plus dessen (bevorstehenden) irak-feldzug. was in der themse-metropole (zumindest vom anwesenden publikum) noch mit zustimmung bedacht wurde, löste in der heimat, beim rechten flügel sowie blinden patrioten, massiven ärger aus. die anhängerschaft der einst beliebten, erfolgreichen formation halbierte sich und für viele kurzsichtige waren sie nur mehr die Dixie Sluts. boykotte, anfeindungen, beschimpfungen, morddrohungen, proteste und als höhepunkt, wurden cds des dreiers verbrannt oder mit baggern plattgemacht. die staaten-tour mußte abgesagt werden, weil viele den shows fernblieben sowie sponsor Lipton sein soft-drink-image nicht besudelt haben wollte. das gesamte drama wurde später mit der dokumentation "shut up & sing" aufgearbeitet. die Dixie Chicks spielen, trotz damaliger, öffentlicher entschuldigung, nunmehr zwei etagen tiefer.
zusammengefassend sieht man, wenn das feuer des wahnsinns lodert, schmelzen werte wie grenzen dahin und die vernunft löst sich in rauch auf. gleichfalls wird die moral von jenen am meisten mit füßen getreten, welche am lautesten danach rufen. zweifelsohne wird aufkeimender hass auch weiterhin fruchtbaren boden vorfinden.

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in jeder hinsicht, denn vinyl kann man theoretisch auch ohne strom- oder batteriebetrieb abspielen. es würde, rein mechanisch, sogar mit dem eigenen fingernagel funktionieren. probiert das mal mit einer cd, dvd oder mp3. oder eines der genannten formate rückwärts abzuspielen und dann auch noch die teuflische botschaft verstehen. viel vergnügen!

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