Erstversuch

was kann man sich von einem erstlingswerk erwarten?
oberflächlich betrachtet könnte man anmerken, daß aller
anfang schwer ist, noch kein(e) meister/in vom himmel
gefallen ist oder nur übung diese(n) macht. doch solche
standardsätze kennt man ohnehin von gute-laune-kalen-
dern bzw. spruch-des-tages-rubriken. aber ausgehend
davon, daß jener erstversuch von jungen künstlern
fabriziert wird und nicht von spätberufenen, sollte dies
auch so rüberkommen. sprich - rotzfrech, revolutionär,
(positiv) aggressiv, engagiert, schockierend.
natürlich gab es auch erste alben, die einem/r nicht gleich
die fresse polierten, klassiker wurden und sich für die
protagonisten/innen infolge als unerreichbar darstellten.
so u.a. Jamiroquai´s "emergency on planet earth", Tracy
Chapman´s gleichnamiger output als auch ABC´s "the
lexicon of love". die "gewalt" der ausführung ist natürlich
genrespezifisch verschieden, aber gewaltig sollte es alle-
mal sein, denn ein auf-nummer-sicher-longplayer wäre
wohl das falsche signal. jedoch gerade dies ist (zu) oft die
idealvorstellung der plattenfirma - ohne ecken & kanten,
mittendurch und nur nirgends anstoßen. man will aber
doch die menschen dahinter raushören, nicht die firmen-
philosophie.
"musiker/innen haben fast ein leben lang zeit für das erste
album, aber maximal zwei jahre für den nachfolger" ist
ein branchenüblicher standardsatz. nur diese zeitspanne
sollte nicht im studio vertrödelt werden, denn zu viel
rumdoktern, hat rein gar nichts mit juvenilem esprit
gemein. obwohl beim zweitwerk oft ein mangel an zeit
als ausrede herhalten muß. aber für den anfang - raus-
rotzen, etwas durchmischen und fertig - so stelle ich mir
den handlungsablauf vor. sollten die songs aber noch
nicht ordentlich sitzen, dann wurde das pferd falsch auf-
gezäumt. der rohschliff müßte nämlich bereits auf den
speckigen bühnenbrettern erfolgt sein. mit der dort
erlangten festigkeit nun die erste duftmarke absetzen,
als wäre es die letzte.
dafür sprechen auch die jungfernplatten von The Specials,
MC 5, The Slits oder Suicide - nur kam anschließend nicht
mehr viel hintennach. vielleicht wird doch nur was länger
währt, mehr oder weniger, wirklich gut? diese these stützen
die größen der szene, welche sich meist stück für stück nach
oben arbeiteten und ihr top-schaffen im fortgeschrittenen
abschnitt ihrer karriere ablieferten.
The Beatles machten in den frühen 60ern musik für teen-
ager, in den späten für erwachsene. The Rolling Stones
hatten erst am höhepunkt ihres drogenmißbrauchs so
richtig klasse, als sie wieder clean waren, erlosch auch
der ofen. Bob Dylan´s namensgleiches debüt, war total
konträr zum in bälde elektrisch verstärkten werdegang.
als seine jünger dann "judas" riefen, war er mein mann.
oder Joni Mitchell, die lp für lp an klasse zulegte, weil sie
sich immer mehr öffnete, ihre selbstverliebtheit aufgab
und äußere einflüße zuließ.
reife leistung sozusagen, doch heute bekommt niemand
mehr soviel zeit plus unterstützung, daß sie/er mit dem
fünften wurf schlußendlich durchstarten und infolge
einige draufkommen, der eine oder andere davor war
auch nicht so schlecht, eine versunkene perle eben.
heutzutage ist praktisch jede veröffentlichung ein rettungs-
ring gegen den untergang und sollte auch so klingen - dies
muß man als konsument erwarten dürfen. gerade in zeiten
der kurzlebigkeit sollte ein debüt eine dynamitstange sein
und keine stinkbombe.
turntable - 20. Jun, 17:26