Puppenspieler

der in london geborene MALCOLM McLAREN verstarb am
donnerstag 64-jährig. man konnte ihm als macher, genie,
manipulator, wegbereiter, innovator oder scharlatan sehen,
doch grundsätzlich war er (ein guter) geschäftsmann und
seine bewährte betriebsformel lautete "cash from chaos".
er hat den punk weder erfunden noch ausgerufen, sondern
in den staaten entdeckt, ins vereinte königreich importiert,
umgepackt, bestens verkauft und war infolge bzw. für die
laufzeit dieser relativ kurzlebigen bewegung, der weltweite
generalvertreter.
anfangs noch vom traditionellen u.s. rock & roll fasziniert,
besuchte er in den 60ern verschiedene kunstakademien.
war aber bald mehr von den (franz.) studentenprotesten
begeistert, als von der trockenen thematik. ende des jahr-
zehnts traf er die spätere mode-avantgardistin Vivienne
Westwood und 1971 eröffneten die beiden die boutique
"let it rock", spezialisiert auf teddy-boy- sowie rockabilly-
outfits.
als MALCOLM mal geschäftlich in new york war, stieß er
auf die formation New York Dolls. dieses erlebnis ließ ihn,
zurück auf der insel, den laden in "too fast to live, too young
to die" unbenennen und glam-klamotten forcieren. die
begeisterung für die Dolls trieb ihm aber wieder nach
amerika, um sich der band als manager anzubieten. doch
auch er konnte die vorreiter des punk nicht vom untergang
retten.
somit machte sich McLAREN wieder auf in die heimat um
seine erfahrungen aufzuarbeiten. der shop wurde nun "sex"
getauft und man handelte mit s&m adjustierungen plus
sonstigem provokativen zubehör. hier konnte Westwood
ihrer kreativität freiem lauf lassen. um ihren kreationen
eine plattform zu bieten und den laden zu promoten, castete
MALCOLM, der auf den geschmack des musikbusiness ge-
kommen war, typen welche im "sex" abhingen für die
namensverwandte boyband Sex Pistols. wie einst Andy
Warhol mit The Velvet Underground, wollte er die jungs
als hausband halten und zeitgleich sich selbst in den mittel-
punkt stellen.
diesmal gelang es besser als erwartet. er spielte alle - medien
plattenfirmen, publikum als auch die musiker. nur einmal
drohten ihm die fäden zu entgleiten, als gitarrist Steve
Jones, während eines band-interviews live im englischen
fernsehen, den tv-moderator Bill Grundy beschimpfte.
der ausbruch der entrüstung erstreckte sich über das
gesamte königreich, in dem ohnehin jedes 4-buchstaben-
wort, egal ob negativ oder positiv, gegen die etikette ver-
stieß. darauf folgendes radio- sowie fernsehboykott plus
teilweises auftrittsverbot setzte seinem projekt zu, doch
mittels schubumkehr wurde auch diese situation zum
vorteil verwendet. dagegen war seine spätere verhaftung
während einer werbeaktivität für die single "god save the
queen" reines kalkül.
auch der NY Dolls nachfolgeformation - Heartbreakers - griff
er nebenbei unter die arme. als die Pistols schlußendlich am
eigenen schleim "erstickten", preßte McLAREN noch den
letzten saft aus dem nachlaß und wandte sich dann dem
nächsten, verhältnismaßig kleinen skandal zu - Bow Wow
Wow. auch bei Boy George und Adam Ant mischte er vor-
übergehend mit, aber eigentlich hatte er am musikma-
nagement kein interesse mehr. der boutique hieß in der
zwischenzeit "world´s end" und wurde, nach vorüber-
gehender schließung, von Westwood alleine betrieben.
seit den frühen 80ern arbeitete MALCOLM auch an einer
eigenen tonkunstkarriere. hierfür wanderte er mit dem
einkaufskorb durch die musikwelt, packte ein was er
brauchen konnte und machte sein ding daraus. ob hip-hop,
world music, oper oder chanson, alles wurde verwurstet
und es schaute auch der eine oder andere kleinere hit dabei
raus. provokativ war aber nichts mehr.
an anderen fronten versuchte er sich auch im filmbusiness,
als buchautor, herausgeber von zeitschriften und ende
der 90er betreute er abermals einen act, die chinesische
girlgroup Jungk. gegen ende des jahrhunderts überlegte
er auch eine kanditatur als bürgermeister von london.
hierbei wollte er sich vor allem für prostitution als auch
der legalisierung leichter drogen einsetzen. es blieb aber
nur beim rühren der werbetrommel. später schnupperte
er noch beim format reality-tv rein.
noch im letzten jahr veröffentlichte er ein album namens
"shallow - musical paintings", ohne viel staub damit aufzu-
wirbeln. die "fingerfertigkeit" war (schon länger) nicht
mehr vorhanden. der kampf gegen den bereits vor jahren
diagnostizierten krebs trug seinen teil dazu bei. gerade als
man dachte es ging wieder bergauf, schnappte er zu.
wann immer man ein interview mit MALCOLM McLAREN
sah oder las, er hatte immer interessantes zu erzählen und
wußte, wo die wunde für seine spezielle prise salz gelegen
war - ein wahres original.
turntable - 11. Apr, 18:50